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Channel: wolf auf tausend plateaus » Vom frommen Tanz der Wölfe
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Vom frommen Tanz der Wölfe #7 (Tom)

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Es war noch eine halbe Stunde bis Mitternacht. Donnerstags war die Bar brechend voll, ein fester Termin im Rhythmus der Stadt. Samstags dagegen war es angenehmer. Tom setzte sich auf einen Hocker an der Theke, ohne sich durch eine Menge von Männern quetschen zu müssen. Er atmete tief ein und aus. Sein Herz raste, die Pulsadern pochten. Durch das Koks hatte er schneller in die Pedale getreten als sonst, seine Muskeln entspannten sich nur langsam. Die Schüchternheit, die ihn jetzt eigentlich übermannen müsste, wäre er nüchtern, suchte sich langsam den Weg in sein Bewusstsein. Wie Wasser, das überall seinen Weg findet, schlängelte sie sich durch seine verkokste Gefühlswelt. Feinädrig verteilte sie sich in Tom. Zeit für einen Schnaps.
Er bestellte einen Wodka mit Honig auf Eis. Doppelt, damit er lange daran nippen konnte. Intuitiv hatte er sich auf einen Hocker gesetzt, der eine Säule hinter sich hatte. Er lehnte mit dem Rücken an der Säule, die Beine übereinander geschlagen und trank in kleinen Schlücken vom Wodka. Zu hastig, um entspannt zu wirken. Zu eilig, um genießen zu können. Er verlangsamte die Frequenz mit der er den Wodka in sich hinein kippte.
Aus dem Augenwinkel beobachtete er die Bedienungen. Ein Typ mit großen Armen und sehnigem Körperbau fiel ihm ins Auge. Mit blauer Wollmütze auf dem Kopf und einem großen Anker auf dem Arm sah er aus wie ein archetypischer Seemann. War die Haut wirklich wettergegerbt oder redete Tom sich das nur ein? Es war ihm egal, denn ganz unabhängig davon, ob der Barmann wirklich jemals auf See war oder nur mit der Idee kokettierte, war die Rolle, die er spielte, das, was Tom anmachte. Wie die modernen Damen, die sich kleideten wie Kokotten, war der postmoderne Barmann, der sich kleidete wie ein Seemann, anziehend, weil er die langue des Eros so fließend sprach, dass er sich behände durch die parole der Mode bewegen konnte.
So verharrte er zwei weitere Runden Wodka auf dem Barhocker, bis ihn ein Typ von der Seite ansprach.
„Hey, ich glaub ich kenn dich aus der Panne.“
Ein Satz, der in der Olfe immer funktionierte. Eine Plattitüde in dieser Bar, Klischee der halbseidenen Subkultur. Für Tom war die Anmache wie ein Ritterschlag.
„Oh, kann sein.“ Benebelt vom Alkohol, nur noch Überreste des Koks in seinem Bewusstsein, war er wieder schüchtern geworden. Er musterte den Typen, der neben ihm stand. Tom kannte ihn auch. Immer wieder Sonntags hatte er ihn in der Panoramabar gesehen, immer in der Nähe des DJ-Pults. Er tanzte im Rhythmus, halbkreisförmig Bewegungen mit angewinkelten Armen, wie sie die ganze Berliner House-Aristokratie tanzte. Ein stets amüsierter Move, der jedem Track schmeichelte, aber im Grunde genommen nichts aussagte.
„Kann gut sein, du hast doch immer diesen kleinen Kerl dabei. Dick, tättowiert…“
„Oh, ja.“ Tom wurde verlegen. Auch wenn er so weit mit dem Rad fuhr, noch so viel kokste, noch so viel trank: dem goldenen Käfig entkam er nicht, wenn er ihn nicht freiwillig verließ.
„Kann ich eine Kippe haben?“

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Alle Rechte liegen beim Autor.

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